- Vorstellung des einzigen erhaltenen Motorrades der Marke PER
- Fertigung erfolgte im Grubenlampenwerk Friemann & Wolf
Zu den bemerkenswertesten, wirtschaftlich jedoch erfolglosesten Fahrzeugkonstruktionen Deutschlands zählt zweifellos das Motorrad PER. Durch seine interessanten konstruktiven Lösungen und sein unverwechselbares Erscheinungsbild ist es bis heute ein Begriff nicht nur bei Motorradenthusiasten geblieben.
Die letzte Überlebenede PER
Der Geschäftsführer des August Horch Museums, Rudolf Vollnhals, und der Leihgeber, Michael Lehmann aus Mülsen, konnten heute das letzte erhaltene Exemplar nach umfassender Aufarbeitung der Öffentlichkeit vorstellen.
Will man etwas über die Geschichte des Motorrades erfahren, so müssen
wir unseren Blick in das Berlin der frühen 1920er Jahre lenken. Hier
finden wir den jungen Ingenieur Kurt Passow, der für die Vis Gesellschaft
für Kleinfahrzeuge arbeitet. Neben der „Wegro“ entsteht dort
seine erste eigene Konstruktion, die PAWA. Langer Radstand, äußere
Verkleidung und ein bequemer Klubsitz kennzeichnen das eigenwillige Zweirad,
dem Kundschaft und finanzieller Erfolg ausblieben.
Nach diesem Engagement sehen wir Passow in Braunschweig. 1923 etabliert er
hier die „Per“ Konstruktions- und Handelsgesellschaft für
Kraftfahrzeuge und Industriebedarf. Unterstützt durch zwei Teilhaber
beginnt er die Konstruktion der von seinen Ideen getragenen PER. Schon im
Herbst des Jahres will man fertigen und gründet zur finanziellen Absicherung
die Kurt Passow AG, deren Produktionsstandort das nahe Klein-Stöckheim
wird. Das Motorrad ist bereits soweit gediehen, daß Passow Patentanmeldungen
auf ein automatisches Getriebe und auswechselbare Räder sowie eine Gebrauchsmusteranmeldung
einbringen kann. Dabei sind es nicht nur die Räder, die das Zweirad technisch
interessant und wegweisend machen. Anstatt eines Rahmens hat es eine selbsttragende
Blechkarosserie. Eine zeitgenössische Beschreibung ist denn auch des
Lobes voll: „Hierdurch entstehen den bisherigen Bauarten gegenüber
wesentliche Vorteile. Motor, Getriebe und Kette sind dem direkten Straßenschmutz
entzogen, die Reinigung des Rades ist äußerst einfach. Der Umstand,
der bisher gegen die Verkleidung des Motors sprach, die Unzugänglichkeit
der Teile, ist bei dem Rade beseitigt. Alle betriebswichtigen Teile liegen
übersichtlich angeordnet vor dem Fahrer. Das Herausschrauben der Zündkerze,
Auswechseln der Düse am Vergaser usw. kann vom Fahrer vorgenommen werden,
ohne daß er abzusteigen hätte. (…) Der Werkzeugkasten ist
gleichfalls vom Sitz aus zugänglich. (…) Der über dem Motor
liegende Benzintank ist herausnehmbar, eine Anordnung, die sich beim Holen
von Brennstoff und Verladen auf der Eisenbahn bewährt hat. (…)
Die Räder sind leicht herauszunehmen und untereinander auszuwechseln.
Dieser Umstand ermöglicht die Mitnahme eines Reserverades.“ Auch
der eigenentwickelte Zweitaktmotor mit Ladepumpe und die Bemühungen um
eine strömungsgünstige Außenform finden Anerkennung. Dem Rad
fehlt nur eines: Die Schar der überzeugten Käufer. Daran können
auch Werbung und eingehende Vorstellungen in Fachschriften nichts ändern.
Wahrscheinlich ist die Konstruktion aber einfach zu modern, zu anders als
die herkömmlicher Motorräder gewesen – es läßt
sich nicht mehr ergründen. Sicher ist, daß die Firma in Zahlungsschwierigkeiten
kommt. Die Inflation, gefolgt von einer Krise durch die finanzielle Zurückhaltung
der Käufer bringen die Passow AG in arge Bedrängnis. Auch die Unterstützung
des Berliner Motorradherstellers Ernst Eichler ist vergebens.
Der Leihgeber der PER: Michael Lehmann
In dieser Situation tritt jedoch ein Umstand ein, der nach dieser Vorgeschichte erklärt, warum nun ausgerechnet das August Horch Museum, das sich doch der Geschichte des Zwickauer Fahrzeugbaues widmet, ein solches Zweirad ausstellt. Die Erklärung ist einfach: Passow und seine Teilhaber verkauften 1924 die Patente, Materialien und Fertigungseinrichtungen an die Firma Friemann & Wolf in der Muldestadt. Der Grubenlampenhersteller gründete dazu die PASSOW & CO. GmbH mit Sitz im Stammwerk. In den Jahren bis vermutlich 1926 verließen dann auch noch einige Exemplare die Werkstätten, bevor doch das endgültige Aus kam.
Trotzdem sind der Ingenieur Kurt Passow und sein Motorrad nie in Vergessenheit
geraten. Mit seinen zukunftsweisenden Ideen und Konstruktionen war er seiner
Zeit weit voraus, doch blieb er dabei stets an sie mit ihren Gegebenheiten
und Möglichkeiten gebunden. Diese Widersprüchlichkeit, gepaart mit
dem Festhalten an der einmal als richtig gefundenen Vorstellung, war letztlich
auch die Ursache für das Ausbleiben wirtschaftlichen Erfolges und damit
einer folgerichtigen Weiterentwicklung. Zugleich aber bot sich der Stoff für
eine jener – natürlich auch und gerade geheimnisumwitterten –
(Technik-)Geschichten, die das Geschaffene und den Menschen dahinter letztlich
doch im Bewußtsein der nachfolgenden Generationen wachhalten.
Bei der PER spricht dafür die Äußerung eines Oldtimerfreundes,
der Bilder des Exponates in einem Forum entdeckte: „wo haste die denn
fotografiert? Ist ja interessant das da eine überlebt hat!“
Das wiederum haben wir dem Oldtimerfreund Michael Lehmann aus Mülsen
zu verdanken. Ende der 1970er Jahre erfuhr er, daß Baumeister Beck in
Stenn bei Zwickau ein solches Motorrad besaß, mit dem er noch bis in
der 1950er Jahre auch große Touren unternommen hatte. Seine Begeisterung
war geweckt und er konnte den Erstbesitzer 1980 zum Verkauf überzeugen.
Das rare Stück konnte damit, konserviert und eingelagert, dem nagenden
Zahn der Zeit erst einmal entrissen werden. 2004 trat er an das Museum mit
dem Angebot einer Dauerleihgabe heran. Bei großem Interesse machte sich
allerdings eine gleichermaßen durchgreifende, wie behutsame Restaurierung
nötig, die eine weitgehende Erhaltung des Originalzustandes ermöglichen
mußte. So wurde die Karosserie mit originaler Bemalung und Beschriftung
konserviert und damit authentisch erhalten. Viel Zeit und Mühe haben
die Mitarbeiter der Museumswerkstatt in dieses besondere Projekt investiert,
aber das Ergebnis ist dem einmaligen Zeitzeugen der Motorradgeschichte angemessen.
Michael Lehmann und das August Horch Museum sind froh, ein bedeutendes Zeugnis deutscher Technikhistorie bewahren und zeigen sowie einen Mosaikstein zur Aufarbeitung der Geschichte des Kraftfahrzeuges hinzufügen zu können.
Die August Horch Museum Zwickau gGmbH ist eine gemeinnützige Gesellschaft, die von der Stadt Zwickau und der AUDI AG im Dezember 2000 gegründet wurde. Die Geschäftsanteile werden zur Hälfte von den beiden Gesellschaftern gehalten. Zweck der Gesellschaft ist der Betrieb des August Horch Museums und die Doku-mentation der Geschichte des Automobilbaus in Zwickau.