Wie im Rennsport üblich müssen die Piloten dabei exakt berücksichtigen, welche Beanspruchungen auf den Pneu zukommen und wie sich diese auf den zu Beginn eingestellten Innendruck auswirken. Da der Druck unter Belastung steigt, wird stets ein etwas unter dem gewünschten Wert liegender Druck eingestellt. Ist der Druck jedoch zu gering, wird das stärkere Walken den Reifen übermäßig aufheizen. Dies führt zu Leistungsverlust oder gar Beschädigungen. Im Extremfall kann ein unsachgemäß eingestellter Reifendruck sogar die Sicherheit der Besatzung gefährden.
Im Rallyesport variieren die Reifendrücke während eines Laufs stärker als in jeder anderen Motorsportkategorie. Schwankungen von bis zu 30 Prozent sind keine Ausnahme. In der Formel 1 zum Beispiel unterscheiden sich die Drücke während eines Grand Prix um nicht mehr als 10 Prozent. Die Gründe dafür liegen in den einzigartigen Beanspruchungen der Schotter-, Asphalt- und Schneepneus:
Rallye-Reifen sind nahezu pausenlos longitudinalen (Beschleunigen, Bremsen) und lateralen (zentrifugal, zentripetal) Kräften ausgesetzt. Deswegen muss ständig eine erhebliche Energiemenge abgebaut werden. Dass die vom Reglement erlaubten Reifendimensionen dafür eigentlich zu gering ausfallen, hilft nicht bei dieser Aufgabe.
Die so genannten „Mousse“-Einlagen innerhalb des Reifens sind eine wertvolle Hilfe bei Beschädigungen. Im Normalbetrieb aber tragen auch sie zu einem steigenden Reifendruck bei.
Ein nicht optimales Set-up und die ständigen Schläge, die die Pneus etwa bei harten Landungen nach Sprungkuppen oder beim Überfahren größerer Steine zu schlucken haben, generieren ebenfalls höhere Drücke.
Wie wirkt sich steigender Luftdruck auf die Performance
des Reifens aus?
Mit steigendem Innendruck verkleinert sich der „Fußabdruck“
des Reifens, also die Kontaktfläche mit dem Asphalt. Je kleiner der Fußabdruck,
umso mehr müssen die Moleküle der Gummimischung arbeiten, um dies
auszugleichen und Haftung zu erzeugen. Mehr Arbeit bringt physikalisch unausweichlich
mehr Hitze mit sich, so dass die Kontaktfläche noch kleiner wird. Der Teufelskreis
ist geschlossen. Die Reifentechniker streben deshalb immer danach, wirklich
jeden Quadratzentimeter der Lauffläche in Kontakt mit der Fahrbahn zu bringen.
Wie werden Druckanstiege kontrolliert?
Damit der unvermeidliche Druckanstieg so gering wie möglich ausfällt,
nehmen sich die Ingenieure in der Forschung jede der rund 200 Komponenten eines
Rallye-Reifens vor. Da verwundert es nicht, dass die Entwicklung eines Asphalt-Trockenreifens
ein ausgesprochen langwieriger und komplexer Prozess ist. Die ideale Lösung
bestünde darin, Reifenfüllmittel abzulassen, sobald der Druck ansteigt.
Allerdings hat der Automobil-Weltverband FIA Ende der 90er Jahre automatische
Druckregelsysteme verboten - ebenso wie die Nutzung exotischer, druckstabiler
Gase. Bei Serienreifen setzt sich Stickstoff als Füllmittel immer mehr
durch - in der Rallye-WM kommt dieses Gas nicht zum Einsatz, weil es sich nicht
mit dem Gleitmittel der auf die Felge gespannten Mousse-Ringe verträgt.
Wie regeln die Piloten den Reifendruck?
Vor der WP - Bei der Berechnung des optimalen Reifendrucks beziehen die Crews
viele Parameter ein: die Zahl der Wertungsprüfungen bis zum Service, die
Länge der WP, den Streckentyp (kurvig, schnell, etc.), die Luft- und Fahrbahntemperatur
und natürlich die gewählte Laufflächenmischung (soft, medium,
hard).
Auf der WP - Selbst ohne ein Anzeige-Instrument im Auto können Profis den
Reifendruck während einer WP einschätzen und ihn beeinflussen: Sie
spüren, ob ihr Pneu mit zunehmender Fahrleistung heiß wird und der
Druck übermäßig steigt. Ist dies der Fall, nehmen sie für
die kommenden Kurven etwas Tempo heraus, damit sich der Reifen stabilisieren
kann, bevor sie wieder voll angreifen.
Über die Strategie - Fahrer können mit dem Reifendruck auch taktisch umgehen: Wenn sie zum Beispiel gleich zu Beginn eines WP-Pakets attackieren wollen, starten sie mit einem etwas höheren Ausgangsdruck, als es eigentlich ideal wäre. Planen sie dagegen ihren Angriff zu einem späteren Zeitpunkt, gehen sie mit geringerem Luftdruck in die WP. Dieses Vorgehen erklärt häufig die unterschiedlichen Zwischenzeiten von Fahrern, die ansonsten auf gleichem Niveau liegen.
Übrigens - Ein Asphalt-Trockenreifen
für die Rallye-WM wie der seit seinem Debüt Anfang 2006 bereits dreimal
siegreiche g-Force Profiler ist den höchsten Lasten ausgesetzt, die im
Rennsport überhaupt vorkommen - einschließlich Formel 1 und Le Mans.
Grund: Die Rallye-Pneus müssen gemessen an ihren Dimensionen immense Leistungen
übertragen und unterliegen dabei ständig den unterschiedlichsten Kräften
und Einflüssen. Dazu kommt, dass auch die neuen passiven Differenziale
die Masse der Antriebskräfte niemals gleichmäßig auf alle vier
Räder übertragen.
Text: Dirk Hartung / BFGoodrich Tires