- Interview mit Markus Duesmann, Leiter Antrieb BMW Sauber F1 Team
Nach dem KERS-Zwischenfall Ende Juli in Jerez haben die Verantwortlichen des BMW Sauber F1 Teams die entsprechenden Untersuchungen abgeschlossen. Markus Duesmann, Leiter Antrieb, erklärt die Zusammenhänge.
Was ist in Jerez genau passiert?
Markus Duesmann, Leiter Antrieb: „Der Mechaniker hat beim Berühren
des Seitenkastens und des Lenkrades einen Stromschlag erhalten. Es hat eine
hochfrequente Wechselspannung zwischen diesen Berührpunkten bestanden.
Die Ursache lag im KERS-Steuergerät, in dem es sporadisch ein Übersprechen
vom Hochvolt- in das 12-Volt-Netz gegeben hat. Über die Leitungen des
12-Volt-Netzes ist die Spannung zum Lenkrad und über das Karbon-Chassis
zurück zum Steuergerät gelangt.“
Hinweis zu Übersprechen: Unerwünschte Übertragungen von elektrischer
Spannung zwischen zwei Übertragungsmedien aufgrund induktiver oder kapazitiver
Kopplung.
Bestand für den Mechaniker und den Fahrer eine ernsthafte Gefährdung?
Duesmann: „Nein, da die übertragbare Energie bei diesem Übersprech-Effekt
gering ist. Die Energie reicht jedoch aus, um eine sehr schmerzhafte Reaktion
hervorzurufen. Der Fahrer war durch seinen Rennanzug und die Handschuhe gegen
das Fahrzeug isoliert und somit nicht gefährdet.“
Warum hat die Untersuchung so lange gedauert?
Duesmann: „Der Übersprecheffekt war zunächst am Fahrzeug nicht
reproduzierbar, da es sich um einen sporadisch aufgetretenen Fehler des Steuergerätes
handelt. Aufgrund der sehr hohen Frequenz der sich ergebenden Spannung am
Lenkrad erkannten die Sicherheitsmechanismen und Datenaufzeichnungen den Fehler
nicht. Mangels Daten mussten somit alle theoretischen Möglichkeiten systematisch
untersucht und durch Versuche analysiert werden. Ferner äußert
sich der Effekt nur unter bestimmten Rahmenbedingungen, die ohne erneutes
Fahren des KERS- Versuchsfahrzeuges von Jerez reproduziert werden mussten.
Außerdem musste ein Modell entwickelt werden, welches zwischen Lenkrad
und Seitenkasten installiert wurde um die Eigenschaften des menschlichen Körpers
als elektrisches Übertragungselement nachzubilden.“
Welche Maßnahmen werden jetzt ergriffen, um das Problem zu beheben?
Duesmann: „Die sehr umfassende Analyse, die wir gemacht haben, hat neben
den konkreten Maßnahmen auch weitere Empfehlungen ergeben, die für
die Konzeption elektrischer KERS-Systeme sehr wertvoll sind. Zu den konkreten
Maßnahmen gehören konstruktive Änderungen im Steuergerät
zur Vermeidung von Übersprecheffekten, erweiterte Überwachungsfunktionen
im Bereich hoher Frequenzen und eine leitende Verbindung der Chassis-Bauteile
zur Vermeidung jeglicher Spannungspotenziale.“
Was geschieht nun mit diesen Erkenntnissen?
Duesmann: „Wir haben die Sicherheitsanalyse inklusive Maßnahmen
und Empfehlungen bereits der FIA zur Verfügung gestellt und werden die
Erkenntnisse beim nächsten Meeting der Technical Working Group auch den
anderen Teams zugänglich machen.“
Wann findet der nächste KERS-Test auf einer Rennstrecke statt?
Duesmann: „Sobald alle erforderlichen Ergänzungen des Sicherheitskonzeptes
umgesetzt sind, wird das Testprogramm fortgesetzt. Dies wird voraussichtlich
im Herbst der Fall sein.“