- Das einzigartige Streckenprofil trägt seit jeher zur Legendenbildung bei
Die diesjährigen „24 Stunden von Le Mans“ könnten einmal mehr Motorsportgeschichte schreiben: Michelin-Partner Audi peilt den ersten Sieg eines Diesel bei dem französischen Traditionsrennen an. Neben den drei neu entwickelten R10 aus Ingolstadt vertrauen zahlreiche weitere Favoriten auf Pneus aus Clermont-Ferrand.
Mehrere Monate Vorbereitung für den Tag der Wahrheit: Die „24 Stunden von Le Mans“ beginnen für alle Teilnehmer eine lange Zeit vor dem eigentlichen Start des Rennens. Bereits Wochen im Voraus starten die Fahrer ihr Fitnessprogramm, um den Strapazen des Langstreckenklassikers bestmöglich gewappnet zu sein. Ingenieure und Techniker tüfteln sogar über den gesamten Winter hinweg an neuen Entwicklungen für die kommende Ausgabe der Traditionsveranstaltung. Egal, ob Chassis, Motor oder Reifen - für alle Komponenten gilt eine Devise: maximale Leistung mit der nötigen Zuverlässigkeit zu verbinden. Ähnlich wie viele Autohersteller fertigt auch Michelin für das 24-Stunden-Rennen spezielle Konstruktionen an: „Grundsätzlich legen wir unsere Reifen auf lange Haltbarkeit aus“, erklärt Gérard Aussage, Leiter der Langstreckenaktivitäten bei Michelin. „Tagsüber halten sie ohne weiteres drei, nachts bis zu vier Turns aus.“ Also so lange, bis auch der Fahrer wieder die Box ansteuert, um sich ablösen zu lassen. Bei einer Länge von gut zwölf bis 14 Runden pro Turn und einer Rundenlänge von knapp über 13 Kilometer entspricht dies einer Distanz von bis zu 730 Kilometern oder mehr als zwei Formel 1-Rennen - und das pro Reifensatz.
Eine weitere Eigenart von Langstreckenrennen wie den „24 Stunden von Le Mans“ sind die wechselnden Bedingungen im Laufe der Veranstaltung - eine harte Probe für Mensch und Material. Um bei allen Verhältnissen die optimale Leistungsfähigkeit zu erreichen, bringt Michelin allein vier verschiedene Typen Trockenreifen an die Sarthe: die härteste für heißes Wetter am Tag, weichere für Abend und die Dämmerung sowie einen reinen Nacht-Reifen. Hinzu kommen Qualifying- und Regenreifen sowie so genannte „Joker“ - Entwicklungs-Pneus, die auf Fahrzeugen ausprobiert werden, die keine Chancen mehr auf den Sieg haben.
Was die Bedingungen angeht, unterscheidet sich die Beanspruchung an Fahrer und Technik allerdings maßgeblich: Während Auto und Reifen die Mittagshitze zu schaffen macht, haben die Piloten vor allem mit ihren mentalen Ressourcen zu kämpfen. Als kritischste Phase gilt der Sonntagmorgen, wenn die Sonne bereits aufgegangen ist und die Konzentration nachlässt. Hier kommt es leicht zu Unfällen.
Ausrutscher neben die Strecke stellen die Reifen-Entwickler ebenso vor Herausforderungen
wie die zahlreichen Überholmanöver, bei denen speziell die ganz
schnellen Fahrzeuge der großen Prototypen-Klasse immer wieder die saubere
Ideallinie verlassen müssen: „Die größten Probleme liegen
in den so genannten &Mac226;slow punctures', schleichendem Druckverlust
aufgrund einer Beschädigung“, so Aussage. „Sie werden zumeist
durch kleine Trümmerteile aus Kohlefaser hervorgerufen, die auf der Strecke
und hier bevorzugt neben der Ideallinie lauern.“ Das Gefährliche
daran: Besonders auf den langen Geraden bemerkt ein Fahrer diesen Defekt nicht
immer. In den Bremszonen bekommt er dann ein umso größeres Problem.
Spezielle Reifendruck-Kontrollsysteme entschärfen dieses Risiko inzwischen.
Das einzigartige Streckenprofil trägt seit jeher zur Legendenbildung
bei
Eine weitere Besonderheit stellt das Streckenlayout an sich dar: Die von engen
Schikanen unterbrochene Hunaudières-Gerade belastet Motoren und Bremsen
gleichermaßen. Außerdem wird der größte Teil des Kurses
den Rest des Jahres als gewöhnliche Landstraße genutzt - ein Teil
der Legende Le Mans. „Der Verschleiß auf den Landstraßen
ist zwar relativ gering“, gibt Aussage Preis. „Aber während
der ersten Qualifying-Sessions liegt noch viel Schmutz auf der Strecke. Zudem
ist sie überzogen mit dem Gummiabrieb normaler Straßenreifen, der
sich von dem der Rennpneus stark unterscheidet.“
Trotz all dieser Schwierigkeiten gelingt es Michelin, Jahr für Jahr neue Maßstäbe zu setzen - wie die Erfolgsbilanz der Marke mit dem Bib zeigt: Insgesamt 14 Siege verzeichneten Partnerteams des Reifen-Spezialisten aus Clermont-Ferrand, darunter zuletzt acht Triumphe in Serie. Auch 2006 zählen die Michelin-bereiften Fahrzeuge zu den Favoriten auf den Gesamtsieg. Besonders beachtet wird dabei das Debüt des neuen Audi R10 TDI, mit dem die Ingolstädter den ersten Sieg eines Diesel-Fahrzeugs in Le Mans feiern wollen. Die Generalprobe zumindest glückte bereits: Beim 12-Stunden-Rennen in Sebring gewann der R10 von Dindo Capello, Allan McNish und Le Mans-Rekordsieger Tom Kristensen auf Anhieb - natürlich auch auf Michelin Pneus.
Als härteste Widersacher im Kampf um den Gesamtsieg gelten die von Le Mans-Ikone Henri Pescarolo gebauten und ebenfalls Michelin-bereiften Pescarolo-Judd, bei denen unter anderem der zweifache Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb ins Lenkrad greift. Auch in den anderen Fahrzeugklassen ist der französische Hersteller bestens vertreten: In der GT1-Division rüstet Michelin die favorisierten Werksteams von Aston Martin und Corvette aus. Hinzu kommen zahlreiche namhafte Privatiers.
Doch wer auch immer sich am 18. Juni 2006 als Sieger der „24 Stunden
von Le Mans“ feiern lässt, er wird erst eine Stunde später
als üblich den Champagner versprühen. Wegen der Fußball-WM
startet und endet der Klassiker dieses Jahr erst um 17.00 Uhr.