Dakar 2006: Halbzeitbilanz Volkswagen
- Geschrieben von Dirk Hartung
- Kategorie: Rallye Raid (Langstrecke)
• Zeitweise Dreifachführung, aber auch harte Rückschläge
• Die Stimmen zum Ruhetag
Bis 48 Stunden vor dem Ruhetag am 8. Januar in der mauretanischen Hauptstadt
Nouakchott zählte Volkswagen mit dem Race Touareg in den Tageswertungen
wie auch im Gesamtklassement ständig zur Spitze: Der zweifache Weltmeister
Carlos Sainz, der aus der Rallye-Weltmeisterschaft in den Marathon-Rallyesport
gewechselt ist, übernahm mit zwei Bestzeiten in Portugal sogleich die
Führung und lag in der Gesamtwertung zwei Tage lang vorn. Nach einer
weiteren Bestzeit auf der vierten Etappe übernahm der Spanier mit Beifahrer
Andreas Schulz ab der vierten Etappe erneut zwei Tage lang die Führung.
Giniel de Villiers löste seinen Teamkollegen auf der sechsten Etappen
an der Spitze des zu Beginn 174 Teilnehmer starken Feldes in der Automobil-Klasse
ab. Auf der vierten und der sechsten Etappe lagen sogar drei der 275 PS starken
Prototypen mit TDI-Technologie aus Wolfsburg an der Spitze, auf der fünften
Etappe zwei der neuen Race Touareg 2. Tägliche Einzelergebnisse an der
Spitze unterstreichen, dass Volkswagen der Konkurrenz ebenbürtig ist.
So erreichte Mark Miller auf der extrem schwierigen Etappe vor dem Ruhetag
auf die Sekunde genau die gleiche, insgesamt zweitbeste Prüfungszeit
wie Stéphane Peterhansel, der damit im Mitsubishi die Gesamtführung
übernahm.
"Die gründliche Vorbereitung hat sich bisher ausgezahlt, die Performance
ist grundsätzlich gut", so Volkswagen Motorsport Direktor Kris Nissen.
"Wir haben ein Team von insgesamt 78 Mitarbeitern aufgebaut, uns systematisch
mit Tests und Einsätzen vorbereitet, ein neues Auto entwickelt und die
stärkste Fahrermannschaft in der Geschichte von Volkswagen Motorsport
geschmiedet."
Trotz aller Vorbereitungen von Volkswagen erwies sich die 9.043 Kilometer
lange Wüstenrallye einmal mehr als unberechenbar – und das bereits
in ihrer ersten Hälfte: Viele Spitzenteams wurden immer wieder Opfer
der neuen, sehr viel schwierigeren Regeln zur Navigation. Auch Volkswagen
zollte diesem Umstand Tribut: Am 6. Januar verloren Giniel de Villiers und
Beifahrerin Tina Thörner die Führung und fielen auf Platz vier zurück,
als sie sich verfuhren. Ebenfalls auf der siebten Etappe kamen Mark Miller
und Dirk von Zitzewitz auf eine parallel zur eigentlichen Strecke verlaufende
Piste, auf der sie sich von einem Dünenkamm herab überschlugen.
Bruno Saby und Michel Périn verloren durch einen prinzipiell geringfügigen,
aber ohne Spezialwerkzeug nicht zu behebenden Defekt in einer Kraftstoffleitung
sieben Stunden Zeit. Carlos Sainz fuhr sich mit Andreas Schulz ebenfalls auf
dem Weg von Zouerat nach Atar in den Dünen fest und büßte
mehr als eine halbe Stunde ein. Tags darauf fuhren sich Jutta Kleinschmidt
und Fabrizia Pons so unglücklich fest, dass sie 47 Minuten verloren.
Das Damen-Duo fiel vom dritten auf den fünften Platz in der Gesamtwertung
zurück. Carlos Sainz verlor auf der achten Etappe 7:51 Stunden durch
einen Kupplungsdefekt – vermutlich die Folge des Festfahrens am Vortag
- und fiel vom fünften auf den 17. Gesamtrang zurück. "Wir
wurden in den beiden Tagen vor dem Ruhetag besonders hart getroffen",
erklärte Kris Nissen. "Hinzu kommt, dass vier unserer fünf
Autos gleichermaßen betroffen. Einzig Giniel de Villiers kam relativ
unbeschadet durch und ist als Dritter bester Verfolger von Mitsubishi."
Bei allen Rückschlägen durften sich die Volkswagen Werkspiloten
stets auf ein besonders starkes Team verlassen. "Alle sind bei Problemen
gefordert und alle ziehen an einem Strang", freute sich Kris Nissen.
"Dabei haben wir erlebt, dass auf den Teamgeist in unserer Mannschaft
absolut Verlass ist." An vorderster Linie haben sich dabei die beiden
Race-Truck-Mannschaften bewährt. Klaus Leihener/Thomas Baumann/Thorsten
Goldberg und Josep Pujol/Lucas Cruz Senra/François Verbist sind per
Reglement mir ihren MAN L90 ebenso wie die Race-Trucks der anderen Teams die
einzigen, die direkt auf den zum Teil 800 Kilometer langen Tagesetappen Hilfe
leisten dürfen. "Sie waren einmal mehr unsere ‚Rettungsengel’,
die Schwerstarbeit geleistet haben und bis tief in die Nacht geholfen haben
und gleichzeitig ihre eigene Rallye gefahren sind", lobt Kris Nissen.
In der zweiten Hälfte der Rallye werden die Service-Teams ebenso wie
die Fahrer noch einmal höchsten Belastungen ausgesetzt. Nach insgesamt
4948 von 9043 Kilometern liegen genau 54 Prozent der Gesamtstrecke hinter
den Teilnehmern. Die verbleibenden sieben der 15 Wertungsprüfungen erstrecken
sich dabei über 2114 Kilometer – somit verbleiben 44 Prozent der
insgesamt 4813 angesetzten Wertungsprüfungs-Kilometer, darunter ein Marathon-Tag,
bei dem am Abend des 12. Januar lediglich die Race-Truck-Teams zum Service
für die fünf Race Touareg 2 bereitstehen.
Stand nach Etappe 8, Atar (MR) – Nouakchott (MR); 508/568 km WP 8/Gesamt
Pos., Team, Fahrzeug, Etappe 8, Gesamtzeit
1. Stéphane Peterhansel/Jean-P. Cottret (F/F), Mitsubishi Pajero Evolution;
5:07.48 Std. (2.) 22:32.41 Std.
2. Luc Alphand/Gilles Picard (F/F), Mitsubishi Pajero Evolution; 5:11.32 Std.
(5.) + 32 Sek.
3. Giniel de Villiers/Tina Thörner (RSA/S), Volkswagen Race Touareg 2;
5:27.12 Std. (6.) + 26.16 Min.
4. Nani Roma/Henri Magne (E/F), Mitsubishi Pajero Evolution; 5:08.51 Std.
(4.) + 43.35 Min.
5. Jutta Kleinschmidt/Fabrizia Pons (D/I), Volkswagen Race Touareg 2; 6:11.28
Std. (11.) + 1:06.26 Std.
6. Thierry Magnaldi/Arnaud Debron (F/F), Schlesser-Ford; 5:00.56 Std. (1.)
+ 1:33.40 Std.
7. Jean-L. Schlesser/François Borsotto (F/F), Schlesser-Ford; 5:47.20
Std. (10.) + 1:45.21 Std.
8. Mark Miller/Dirk von Zitzewitz (USA/D), Volkswagen Race Touareg 2; 5:07.48
Std. (3.) + 2:12.13 Std.
9. Carlos Sousa/Jean-Marie Lurquin (P/B), Nissan Pick-up; 5:35.34 Std. (8.)
+ 3:10.12 Std.
10. Matthias Kahle/Thomas Schünemann (D/D), Buggy Honda; 7:33.24 Std.
(27.) + 6:03.22 Std.
13. Bruno Saby/Michel Périn (F/F), Volkswagen Race Touareg 2; 5:32.05
Std. (7.) + 7:16.17 Std.
17. Carlos Sainz/Andreas Schulz (E/D), Volkswagen Race Touareg 2; 12:52.02
Std. (101.) + 8:09.43 Std.
Die Stimmen von Volkswagen Motorsport Direktor Kris Nissen, Teammanager Peter Utoft sowie der fünf Werksfahrer und -beifahrer zur Halbzeit der Rallye Dakar 2006.
Kris Nissen (Volkswagen Motorsport-Direktor)
"Unsere Autos funktionieren technisch sehr gut, aber wir haben auf der
siebten und achten Etappe viele Rückschläge erlitten. Immer, wenn
sich niemand festgefahren oder verfahren hat, waren wir voll konkurrenzfähig
und haben an der Spitze mitgemischt. Wir sind nicht mehr vorne und haben 26
Minuten aufzuholen. Das ist zwar machbar, aber sehr schwierig. Im Dünensand
macht uns etwas die Tatsache zu schaffen, dass die Motoren schnell warm werden.
Im tiefen Sand braucht man die meiste Kühlung, hat aber den geringsten
Fahrtwind, weil man oft nur Schritttempo fährt, bei durchdrehenden Rädern
jedoch viel Leistung beansprucht. Das ist für alle gleich. Damit der
Motor nicht überhitzt, wird bei uns bei Bedarf automatisch die Leistung
um einige Prozent reduziert. Das System funktioniert gut, doch wir können
es noch verbessern. Vielleicht haben wir zu wenig im tiefen Sand getestet.
Jetzt blicken wir nach vorne: Wir haben ein tolles Team und die Motivation
ist ungebrochen. Wir wollen nach wie vor diese Rallye gewinnen und werden
bis zum Ziel am Lac Rose alles geben."
Peter Utoft (Team-Manager)
"Seit dem vergangenen Jahr wurden die Strukturen im Team weiter verbessert
und die Abläufe optimiert. Wir haben etwa zehn Prozent mehr Leute pro
Rallye-Fahrzeug im Einsatz. Alle wichtigen Schlüsselpositionen wurden
doppelt besetzt. Wichtig war, die Teammitglieder auf diese Rallye perfekt
vorzubereiten, so zum Beispiel durch Einsätze im Marathon-Rallye-Weltcup.
Das hat sich ausgezahlt, wie wir in der ersten Hälfte der Veranstaltung
gesehen haben: Die Abläufe sind sehr ruhig, oft war die Mannschaft am
Abend sehr früh mit dem Service fertig. Bei einem so gewaltigen Projekt
wie der Rallye Dakar profitiert man natürlich von einer guten Vorbereitung,
auch dort haben wir einen Schritt vorwärts gemacht. Bei einem so großen
Team ist es wichtig, die richtigen Teammitglieder im richtigen Moment am richtigen
Ort zu haben. Und das ist uns bisher gelungen."
#301 – Bruno Saby (F)
"Der Start der Rallye war so spannend wie nie zuvor. Bis zur sechsten
Etappe gab es noch zehn Fahrzeuge, die hätten siegen können. Leider
haben wir durch einen Defekt an einer Kraftstoffleitung Zeit verloren. Positiv
ist, dass sich die Mannschaft gut weiter entwickelt hat. Volkswagen hat das
Potenzial zu gewinnen. Leider haben kleine Fehler Zeit gekostet. An den ersten
Tagen war es nicht so, dass Volkswagen vorne war, weil Mitsubishi Zeit verloren
hat. Nach der achten Etappe ist hingegen Mitsubishi an der Spitze, weil Volkswagen
zurückgefallen ist."
#301 – Michel Périn (F)
"Bruno und ich haben uns folgende Strategie vorgenommen: Wir wollten
nicht zu langsam sein, aber auch nicht zu schnell, sondern vor den echten
Dakar-Prüfungen in Tuchfühlung zur Spitze bleiben. Leider hatten
wir einen Defekt auf der siebten Etappe. Doch ermutigend ist, dass der Race
Touareg 2 extrem konkurrenzfähig ist. Wir konnten sehr gute Zeiten erreichen,
ohne am Limit zu fahren – und wollen das auch weiterhin tun."
#303 – Jutta Kleinschmidt (D)
"Die Rallye war bisher von der Strecke sehr schön, eine gute Mischung.
Eigentlich etwas, was mir gut liegen sollte. Am Anfang war die Rallye sehr
eng, doch als die echten Wüsten-Etappen kamen, hat sich das Feld sehr
rasch auseinander gezogen. Aber leider liegen wir jetzt schon eine Stunde
hinter der Spitze, weil wir uns festgefahren haben. Ich muss jetzt sehen,
was wir noch aufholen können."
#303 – Fabrizia Pons (I)
"Ich bin mit unserer momentanen Platzierung nicht glücklich, wir
haben auf der letzten Etappe vor dem Ruhetag zu viel Zeit verloren. Doch die
Rallye ist noch nicht beendet. Wir wollen um eine bessere Platzierung kämpfen.
Was die neuen Regeln betrifft, finde ich, dass das Roadbook bei dieser Veranstaltung
nicht gut genug ist, um nach den neuen Regeln zu arbeiten. Denn wenn ein Wegpunkt
nicht erscheint, kreist man herum und sucht. Und das ist gefährlich,
weil potenziell die Fehlerquote steigt."
#305 – Giniel de Villiers (RSA)
"Die siebte Etappe war mit Sicherheit die schwierigste der Rallye. Es
war für mich enttäuschend, auf der achten Etappe stecken zu bleiben.
Wir liegen nun 26.16 Minuten hinten, doch die Rallye ist noch nicht vorbei.
Wir wollten zu diesem Zeitpunkt natürlich näher an der Spitze sein.
Doch noch ist alles möglich, vor allem die Etappe nach dem Ruhetag wird
richtig hart."
#305 – Tina Thörner (S)
"Ich habe den ersten Teil der Rallye genossen, denn sie hatte viele schwierige
und anspruchsvolle Sektionen. Es ist eine klassische Route, eine große
Herausforderung. Durch die neuen Regeln wurde die Arbeit für uns Beifahrer
noch schwieriger."
#307 – Carlos Sainz (E)
"Ich gewinne jetzt ein richtiges Bild von dieser faszinierenden Sportart.
Hier herrscht eine tolle Atmosphäre. Sehr gut finde ich, dass es nicht
nur auf Tempo ankommt, sondern auch auf Strategie, Navigation, Zuverlässigkeit
und Teamarbeit. Sehr enttäuscht bin ich über den Zeitverlust am
Samstag. Der Kupplungsschaden war wohl eine Folge vom Vortag, als wir uns
festgefahren haben und uns mühselig befreien mussten."
#307 – Andreas Schulz (D)
"Unsere Halbzeitbilanz fällt grundsätzlich positiv aus. Carlos
fährt seine erste Wüstenrallye und jeder hat gesehen, wie gut seine
Leistungen sind. Schade ist, dass wir durch den Kupplungsschaden so weit zurückgefallen
sind. Alle Beifahrer erleben, dass die Navigation und die Suche nach den Wegpunkten
in diesem Jahr viel mehr mit Zufall zu tun als in der Vergangenheit. Das ist
sicher nicht ideal für einen so hochklassigen Sport."
#309 – Mark Miller (USA)
"Ich bin etwas enttäuscht, denn unsere zwei Überschläge
auf der siebten Etappe haben uns um die Siegchancen gebracht. Und jetzt muss
ich mein Bestes geben, mich Tag für Tag im Gesamtklassement weiter vorkämpfen
und keine weiteren Fehler machen. Ich bin glücklich, dass ich genauso
schnell fahre wie die anderen. Das hilft mir für die Zukunft. Es ist
schön, für ein so professionelles Team zu fahren – die Volkswagen
Mannschaft arbeitet großartig. Ich will mithelfen, dass Jutta und Giniel
aufs Podium fahren – hoffentlich ganz nach oben."
#309 – Dirk von Zitzewitz (D)
"Es bei der Dakar immer krass, wie eng Gut und Böse beieinander
liegen. Wir waren nach der sechsten Etappe in einer guten Position, dachten
am Tag darauf, wir hätten durch unsere zwei Rollen alles weggeworfen.
Wir hatten aber Glück, dass wir trotz des Pechs noch in den Top 10 sind.
Am Tag danach lief es wieder sehr gut. Doch es tut weh zu sehen, wie nahe
wir an einem richtigen Erfolg waren. Bei einer Dakar kann so viel passieren.
Wir haben nach dem Ruhetag einen weiteren schwierigen Tag vor uns. Man darf
sich hier nie einer Platzierung sicher fühlen. Die Rallye endet erst
am Lac Rose."