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  • Die Autoindustrie kann machen, was sie will: Kritik ist ihr sicher
Die Autoindustrie kann machen, was sie will: Kritik ist ihr sicher. Dass sich die deutschen Hersteller in den letzten Wochen und Monaten beim Präsentieren sparsamer Antriebstechnologien geradezu zu überschlagen scheinen, lässt einen falschen Eindruck entstehen. Denn die heiße Diskussion um den angeblich vom Menschen verursachten Klimawandel ist ja erst ein paar Monate alt – ein zu kurzer Zeitraum, neue Motoren und Antriebssysteme zu entwickeln.

Ob Porsches Hybrid-Cayenne, Volkswagens BlueMotion, Audis Energiespar-Modelle, BMWs EfficientDynamics-Philosophie oder der DiesOtto-Motor von Mercedes-Benz: Alle Entwicklungen sind ein paar Jahre älter als die Klimadiskussion. Wenn in zahlreichen Medien der Eindruck erweckt wird, die Autohersteller hätten erst jetzt begonnen, sich um sparsamere Motoren zu kümmern, liegt er weit neben der Wirklichkeit. Allerdings ist die Autoindustrie in einem Punkt tatsächlich der öffentlichen Diskussion gefolgt: Sie hat verstanden, dass sie mehr darüber reden, sprich kommunizieren muss, was sie in Sachen Verbrauchsreduzierung so im Köcher hat.

Im Klartext: Nicht die Entwicklungsingenieure sind von der Diskussion um sparsamere Fahrzeuge aufgeweckt worden, sondern die Kommunikationsstrategen. Dass auch diese offensive Kommunikation und ihre substanziellen Inhalte die Autokritiker nicht zufriedenstellen wird, ist klar. Autofahren ist, zumindest in Deutschland, ein grundsätzlich unanständiges Verhalten. Nirgendwo sonst lassen sich Forderungen – nach sozialer Gleichschaltung – Neudeutsch: soziale Gerechtigkeit, und gesellschaftliche Neidkomplexe so befriedigend abarbeiten wie am Automobil. Eigentlich unglaublich widersprüchlich, dass das Auto dennoch in allen Gesellschaftsschichten das beliebteste Verkehrsmittel ist. Der Erfolg des Autos ist wohl auch sein größtes Problem.

Auch die Entwicklungsingenieure bei Mercedes-Benz haben dieser Tage deutlich gemacht, wohin die Reise gehen kann. Aber auch, was bisher geleistet wurde. Es ist schon beeindruckend, wenn der Entwicklungschef der Dieselmotoren von Mercedes, Joachim Schommers, die letzten 25 Jahre Revue passieren lässt. Dass die spezifische Leistung beim Diesel im Drehmoment um 194 Prozent gestiegen ist, bei den PS um 114 Prozent.

Der Verbrauch dagegen ist ständig gesunken, allerdings durch mehr Komfort- und Sicherheitstechnologie und das entsprechende Mehrgewicht teilweise wieder ausgeglichen worden. „Aber würden Sie deshalb freiwillig auf Airbag, Klimaanlage oder mehr Platz verzichten?“, fragt der Ingenieur. „Seit 1990 sind die CO2-Emissionen unserer Pkws in Deutschland um 30 Prozent gesunken. Alle anderen Emissionsbestandteile haben wir um über 70, teilweise sogar um mehr als 90 Prozent reduziert, gerade in den größeren Fahrzeugklassen.“

Dass dennoch noch sparsamere Motoren – völlig unabhängig vom Klimawandel oder nicht – nötig sind, macht Schommers mit Zahlen deutlich: Von den rund 900 Millionen Autos heute wird die Kurve weiter steil nach oben gehen. 2050 sollen es bereits 2,2 Milliarden Autos sein. „Damit steigt der Schadstoffausstoß weiter, während parallel dazu die fossilen Brennstoffreserven schrumpfen. Also führt kein Weg daran vorbei: Das Autofahren muss noch umweltverträglicher und sparsamer werden.“

Der Weg bei Mercedes-Benz heißt arbeitstechnisch „DiesOtto“. Das Ziel: den Diesel so sauber wie den Benziner, den Benziner so sparsam wie den Diesel zu machen. Grundsätzlich, so Schommers, blieben Diesel- und Ottomotoren noch lange Zeit das Rückgrat des Antriebssystems. Auch ein Hybridantrieb könne nur so gut sein wie sein Herzstück, der Verbrennungsmotor.

Dass der Hybrid weltweit nur einen Anteil von 0,6 Prozent (2006) bei 51 Millionen verkauften Fahrzeugen erreicht hat, dürfte dabei doch überraschen. Auch bei einer Steigerung bis 2010 auf eine Million Einheiten pro Jahr würde der Hybrid dabei nur zwei Prozent des weltweiten Pkw-Bedarfs decken. Umso wichtiger seien noch sparsamere Verbrennungsmotoren. Der Diesel spiele dabei weltweit eine sehr wichtige Rolle. Noch in diesem Jahr, deutlich früher als einmal geplant, komme der BlueTec-Diesel nach Europa. Der E 300 BlueTec werde mit Abstand der sauberste Diesel seiner Klasse sein und erfülle souverän die Euro-5-Grenzwerte. Allerdings setze dies auch eine europaweite schwefelarme Dieselkraftstoff-Verfügbarkeit voraus. Die ist von den Mineralölfirmen allerdings erst für 2009 zugesagt worden. Fast scheint es, als ob die Kraftstoffhersteller die Entwicklung bremsen. Es wird Zeit, dass sie wenigstens einen Teil ihrer explodierenden Gewinne in eine schnellere Verfügbarkeit von schwefelarmem Diesel investieren.

Der Leiter Konzernforschung bei DaimlerChrysler, Prof. Herbert Kohler, machte deutlich, wohin der motorentechnische Trend geht: Downsizing durch kleinere Hubräume, Leistungssteigerung durch Aufladung, ein dieselähnliches Brennverfahren und variable Verdichtung. Die in einem ersten Vierzylinder präsentierten Werte von 238 PS und 400 Newtonmetern können sich sehen lassen. Der Komfort des Motors in Sachen Laufruhe liege auf dem Niveau eines Sechszylinders. Der Normverbrauch unterschreite die 6-Liter-Grenze. „Und das nicht etwa in einem Kleinwagen, sondern in einem Forschungsfahrzeug mit Dimensionen auf dem Niveau einer heutigen S-Klasse.“

Das genannte Fahrzeug ist zusätzlich mit einem Hybridmodul ausgestattet, einem Elektromotor der vor allem im Stop-and-go-Verkehr durch Energierückgewinnung sparen hilft. Das von Mercedes „Raumzündverbrennung“ genannte Verfahren verzichtet im Teillastbereich wie beim Diesel auf die Zündung per Zündkerze. Bei hohen Lasten schaltet der DiesOtto-Motor automatisch auf konventionelle Verbrennung um.

Dass die Entwicklungsingenieure und Forscher der Autohersteller die letzten Jahre nicht verschlafen haben, ist angesichts der vielen vorgestellten Lösungen nicht nur bei Mercedes-Benz nicht allein ein Lichtblick, sondern der Beweis dafür, dass die Zukunft kommen kann. – Um die technischen Herausforderungen in Zusammenhang mit der Strategie, den Diesel so sauber wie den Benziner und den Benziner so sparsam wie den Diesel zu machen, geht es auch in unserem Interview mit Prof. Herbert Kohler in der kommenden Ausgabe. (ar/PS/HU)

(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes PS-Automobilreport)

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