Holger Lapp, Leiter der BMW Mobile Tradition, zeigte sich vom Tod Ernst Hennes
auch persönlich betroffen: "Ernst Jakob Henne war nicht nur ein
vielseitiger und erfolgreicher Rennfahrer, der sich durch seine sportlichen
Erfolge den Respekt der Konkurrenz und die Bewunderung der Fans erwarb. Er
war auch ein außerordentlich fairer Sportsmann, der sich auch durch
sein Verhalten abseits der Rennstrecke viele Sympathien erwarb. Ich bin froh,
diese außergewöhnliche Persönlichkeit der BMW Geschichte noch
persönlich kennen gelernt zu haben."
Ernst Jakob Henne wurde am 22.02.1904 als viertes Kind eines Sattlermeisters
in Weiler bei Wangen im Allgäu geboren. 1919 begann er eine Lehre zum
Kraftfahrzeugmechaniker und machte sich als Zweiradmechaniker selbstständig.
Am 1. Juli 1923 startete er eher zufällig bei einem Motorradrennen in
Mühldorf und belegte bei seinem ersten Start auf Anhieb den dritten Platz
in seiner Klasse. Im Herbst 1925 hatte er beim Großen Preis von Monza
seinen ersten großen internationalen Auftritt, bei dem er in der 350-ccm-Klasse
den sechsten Rang belegte.
Ernst Henne im ersten BMW 328 Prototyp vor dem Start zum Eifelrennen 1936
05/01
Nach diesem Erfolg unterschrieb er einen Vertrag bei BMW als Werksfahrer. 1926 übernahm er auch die offizielle Vertretung von BMW Motorrädern, ab 1929 wurde er zudem BMW Automobilvertreter der ersten Stunde. Seinen ersten Sieg für BMW konnte Ernst Henne am 2. Mai 1926 beim Karlsruher Wildparkrennen erringen. Beim Eifelrennen in diesem Jahr belegte er den Ersten Platz und gewann damit auch die Deutsche Meisterschaft, die in jenen Jahren noch in einem Rennen entschieden wurde.
Henne reihte Erfolg an Erfolg. Ende der 20er Jahre galt er als
einer der besten und vielseitigsten Motorradfahrer in Deutschland. Er hatte
bei seinen Renneinsätzen bewiesen, dass er von der Kurz- bis zur Langstrecke,
vom Asphalt bis zur Schotterpiste alle Disziplinen beherrschte. Auf der Suche
nach neuen Herausforderungen nahm er Anfang der 30er Jahre an den Internationalen
Sechstagefahrten teil. 1933, 1934 und 1935 gewann er mit der Nationalmannschaft,
ein reines BMW Team, die Mannschaftswertung.
Aber Ernst Jakob Henne, dessen sportlicher Ehrgeiz ihn immer wieder an seine
Grenzen trieb, hatte sich noch ein Ziel gesetzt: Er wollte den absoluten Geschwindigkeitsweltrekord
für Motorräder nach Deutschland holen. Als der BMW Vorstand grünes
Licht gab, wurde ein bereits begonnener Kompressormotor fertig entwickelt. Das
Fahrgestell und die Verkleidung entstanden in Hennes eigener Werkstatt.
Ernst Jakob Henne auf seiner BMW R 80 G/S, April 1981
Am 19. September 1929 war es soweit: Ernst Henne ging mit einer
750-ccm-Kompressor BMW zum ersten Mal auf die Jagd nach dem Rekord. Der Versuch
glückte auf Anhieb: Acht Weltrekorde überbot Ernst Henne an diesem
Tag. Nicht alle wurden offiziell anerkannt, aber der spektakulärste blieb:
Mit über 216 km/h war Ernst Henne der bis dahin schnellste Motorradfahrer
der Welt.
Es entbrannte ein Wettstreit mit anderen Fahrern, die Geschwindigkeiten wurden
immer höher. 1932 erreichte Henne in Ungarn 246 km/h, 1935 auf der neuen
Autobahn bei Frankfurt 256 km/h, ein Jahr später mit vollverkleideter Maschine
272 km/h. Wegen der charakteristischen Form taufte der Volksmund Fahrer und
Motorrad bald auf "Henne und das Ei".
1936 schrieb der Rennfahrer auch im Automobilsektor Renngeschichte. Beim Eifelrennen pilotiert er den ersten BMW 328 Prototyp und gewann nicht nur die Zwei-Liter-Klasse ohne Kompressor, mit einem Schnitt von 101,5 Kilometern erzielte er die beste Zeit aller gestarteten Sportwagen.Er gewinnt mit dem BMW 328 noch den belgischen Grand Prix des Frontières in Chimay und den Großen Preis von Bukarest.
Am Morgen des 28. November 1937 schließlich setzte Henne den Schluss- und Höhepunkt seiner Karriere: Über den fliegenden Kilometer erreichte er mit dem "Ei" 279 km/h, auf der Rückfahrt 280 km/h. Danach beendete Ernst Henne seine Rekordjagd, seine Bestmarke hielt bis 1951.
100. Geburtstag E.J. Henne (rechts) Lapp
Nach dem Zweiten Weltkrieg baute Ernst Henne eine Vertragswerkstatt für Mercedes-Benz Fahrzeuge auf und wurde einer der größten Händler Deutschlands. Sein Unternehmen ging 1997 in der DaimlerChrysler AG auf. 1991 gründete er zudem mit einem beträchtlichen Teil seines Vermögens die Ernst-Jakob-Henne-Stiftung. Aufgabe der Stiftung ist die Unterstützung von Menschen, die schuldlos in Not geraten sind. Ernst Jakob Henne, der sich in den letzten Jahren immer mehr aus dem öffentlichen Leben zurückzog, lebte seit 1996 mit seiner zweiten Frau auf den Kanarischen Inseln, wo er am 22. Februar seinen einhundertsten Geburtstag feiern konnte.