- Was haben Sie an der Boxenmauer am Sonntag empfunden, als Sie den Unfall von Robert Kubica sahen?
- Wie stolz sind Sie auf Nick Heidfelds zweiten Platz und die Leistung des Teams?
Was haben Sie an der Boxenmauer am Sonntag empfunden, als Sie den
Unfall von Robert Kubica sahen?
BMW Motorsport Direktor Mario Theissen: „Bei den ersten Fernsehbildern
konnte ich die Schwere des Unfalls noch nicht einschätzen. Erst als in
der Wiederholung auch der erste Aufprall gezeigt wurde, haben wir alle einen
Riesenschreck bekommen. Ich habe die Rettungsarbeiten am Bildschirm abgewartet
und bin dann ins Medical Center gegangen, um Robert zu sehen. Nachdem dort
bereits klar war, dass er keine erheblichen Verletzungen erlitten hat, bin
ich mit dieser Information zurück zum Team gegangen und habe den Rest
des Rennens von der Boxenmauer aus verfolgt.“
Mit dem Abstand von etwas mehr als drei Tagen: Wie stolz sind Sie
auf Nick Heidfelds zweiten Platz und die Leistung des Teams?
Theissen: „Ich bin wirklich stolz auf diese Mannschaft.
Nick hat diesen zweiten Platz ja nicht abgestaubt. Alles, was Sonntag passiert
ist, ist hinter ihm passiert. Er ist aus eigener Kraft auf Platz zwei gefahren.
Er war einfach schneller als ein McLaren und schneller als beide Ferrari.“
Podiumsplätze aus eigener Kraft waren das erklärte Saisonziel.
Haken Sie das jetzt ab?
Theissen: „In der Tat zeigt unsere Formkurve nach oben. Nach sechs
Rennen haben wir schon zwei Punkte mehr gesammelt als in der gesamten Saison
2006. Wir haben unser Saisonziel in Montréal erstmals erreicht. Es
war das bisher beste Einzelresultat für unser Team. Aber es soll nicht
der letzte Podiumsplatz bleiben.“
Robert Kubica hat schon am Montag klar gesagt, dass er am Wochenende
in Indianapolis fahren will. Was halten Sie davon?
Theissen: „Es ist schön, dass er sich dazu bereit fühlt
und keine Nachwirkungen des Unfalls spürt. Das letzte Wort hat der Chief
Medical Officer nach der Untersuchung am Donnerstag in Indianapolis. Falls
Robert nicht fahren kann, sind wir gerüstet. Aber wir wünschen uns
natürlich alle, dass er zum Einsatz kommt. Am liebsten wäre mir,
das Unfallerlebnis verblasst für uns alle ganz schnell hinter einem guten
Rennen.“
Nach dem Grand Prix in Kanada kamen Diskussionen auf, inwieweit die
offensichtlich rettende Sicherheitstechnik aus der Formel 1 in Straßenfahrzeuge
transferiert werden könnte. Gibt es da Ansätze?
Theissen: „Die Anforderungen in der Serie sind anders und auch die
verwendeten Materialien. Aber das Ziel ist das gleiche: Es geht darum, eine
strapazierfähige Passagierzelle zu erzeugen, die von Crash-Elementen
umgeben ist, die gezielt Aufprallenergie abbauen. Bei Serienfahrzeugen spielen
Alltagstauglichkeit, Komfort und Herstellkosten eine Rolle. In der Formel
1 tun wir das, was technisch möglich ist. Die Fahrgastzelle und Rückhaltesysteme
sind maßgeschneidert auf eine Person. In einem Serienfahrzeug geht es
um vier, fünf oder sogar mehr Personen. Ein Straßenfahrzeug wird
in der Regel aus Stahl oder Aluminium gebaut, das F1-Monocoque besteht aus
Kohlefaser. Während Straßenfahrzeuge eine Knautschzone besitzen,
ist die von Crash- Elementen umgebene Passagierzelle eines Formelfahrzeugs
darauf ausgelegt, die im Falle eines Aufpralles extremen Kräfte zu absorbieren.
Formel-1- Fahrzeuge müssen immer anspruchsvoller werdende Tests der FIA
bestehen. Und auch Serienfahrzeuge müssen eine Vielzahl an Tests überstehen,
bevor eine Produktion anläuft.“
Was geschieht jetzt eigentlich mit dem Wrack von Kubicas F1.07?
Theissen: „Das Chassis wird in Hinwil untersucht. Wir versuchen,
möglichst viel vom Unfall nachzuvollziehen. Wir schauen uns das Schadensbild
auch genau auf mögliche Risse im Material an, die tiefer liegen. Solch
schwere Einschläge wie die in Kanada sind kaum zu simulieren. Aber das
vorhandene Schadensbild gibt uns Informationen, um unsere Berechnungen weiter
zu verfeinern und künftige Monocoque-Konstruktionen weiter zu verbessern.
Auf jeden Fall ist der Schaden an Chassis F1.07-07 so groß, dass es
nicht mehr im Fahrbetrieb eingesetzt wird. Falls es überhaupt reparabel
ist, dann werden wir es auf dem Prüfstand verwenden. Wenn es völlig
irreparabel ist, wird es verschrottet.“
Und wo bekommt Robert Kubica nun ein neues Auto her?
Theissen: „Wir hatten in Montréal neben dem T-Car noch ein
weiteres Ersatzchassis dabei. Dieses Chassis F1.07-03 wird nun das zweite
Rennchassis. Wir haben mit dem Fahrzeugaufbau bereits am Sonntag in Kanada
begonnen, das Auto wird in Indianapolis fertig gestellt.“