Wie alt ist neu? Nach mittlerweile drei WM-Läufen auf der umgebauten Strecke dürfte Hockenheim eigentlich nicht mehr als „neu“ gelten. Aber da sich die alte Streckenführung mit den endlosen Waldgeraden in der Erinnerung der Fans unauslöschlich eingegraben hat, wird der verkürzte Hockenheimring dieses Etikett wohl noch Jahrzehnte mit sich herumtragen. Selbst die größten Traditionalisten müssen jedoch einräumen, dass sich der vom Team des deutschen Architekten Hermann Tilke gezeichnete Kurs bislang immer als Garant für packende Zweikämpfe erwiesen hat.
Namentlich die Spitzkehre am Ende der leicht gebogenen Geraden „Parabolika“ besitzt mittlerweile den Ruf, der beste Punkt für Ausbremsmanöver im gesamten Formel 1-Kalender zu sein. Auch die Bremszone vor der Mercedes-Arena und die Einfahrt ins Motodrom nutzten die Grand Prix-Piloten in den vergangenen Jahren gerne für Angriffe auf ihre Vorderleute.
Daneben bezieht die Strecke nach wie vor großen Reiz aus den widersprüchlichen Set-up-Anforderungen für die schnellen Passagen und das langsame Motodrom. Die Teams fahren mit mittlerem Abtriebsniveau, um auf der Geraden überholen oder ihre Position verteidigen zu können. Im vergangenen Jahr markierte Giancarlo Fisichella den Topspeed-Rekord mit 340 km/h. Wegen der relativ flach gestellten Flügel rutschen die Autos in der Stadion-Sektion zur Freude der Fans deutlich mehr als in der modernen Formel 1 üblich und eröffnen Raum für Attacken.
Michelin gewann mit Ralf Schumacher und WilliamsF1 die letzte Ausgabe auf dem klassischen Hochgeschwindigkeitskurs 2001 und feierte 2003 mit Juan Pablo Montoya (ebenfalls WilliamsF1) den Sieg auf der umgebauten Strecke. Der Große Preis von Deutschland gastiert zum 29. Mal im Badischen.
Der Große Preis von Großbritannien aus
der Sicht von Michelin
„Hockenheim hält aus unserer Sicht keine außergewöhnlichen
Belastungen bereit. Nur die Hinterreifen werden dort etwas stärker beansprucht
als im Saisondurchschnitt - doch das gilt für alle schnellen Strecken“,
erklärt Pierre Dupasquier, der Motorsport-Direktor von Michelin. „Die
hinteren Pneus heizen sich aus drei Gründen stark auf: wegen der schnellen
Kurven, der häufigen Beschleunigungsphasen und wegen des relativ alten
Asphalts im Motodrom, der wenig Grip bietet. Dadurch und wegen des geringen
Abtriebs rutschen die Autos dort stärker.“
Apropos Hitze: In Hockenheim geben oft nicht das Streckenlayout oder die Asphaltbeschaffenheit den Ausschlag bei der Reifenauswahl, sondern die fast immer hochsommerlich heißen Temperaturen. „Durch die Streckencharakteristik und die heiße Witterung würden weiche Reifen vorzeitig verschleißen“, so Dupasquier. „Deswegen haben sich unsere Partner bei den Testfahrten im Vorfeld des deutschen Grand Prix auf unsere mittelharten Reifentypen konzentriert.“ Dies bestätigt Sam Michael, Technischer Direktor von BMW WilliamsF1, der auf den fachkundigen Rat der in jedes Team integrierten Michelin-Ingenieure vertraut: „Dank der fantastischen Reifen von Michelin haben wir in den vergangenen vier Jahren zwei Mal klar dominiert. Doch der Grat ist hier sehr schmal: Wir wollen immer möglichst weiche Reifen einsetzen, aber wer zu weit geht, zahlt unweigerlich den Preis.“
Letztlich erwartet Michelin-Rennchef Pierre Dupasquier aber keine Überraschungen: „Ob warmes oder kaltes Wetter - seit dem Beginn der Saison waren unsere Pneus unter allen Bedingungen mehr als konkurrenzfähig. Ich hoffe, dass unsere Partnerteams auch diesmal wieder von optimal an die Bedingungen angepassten Reifen profitieren werden.“
Das erwarten die Michelin-Partner
Bei Renault F1 geht Chefingenieur Pat Symonds davon aus, dass der Hockenheimring
den WM-Führenden liegt. „Aber wir machen uns keine Illusionen: McLaren
wird dort ebenfalls sehr schnell sein. Es kommt sehr darauf an, wer bei diesem
wahrscheinlichen Hitzerennen am besten mit den Reifen haushält. Bei unseren
Testfahrten in Jerez haben wir in dieser Hinsicht gute Ergebnisse erzielt.“
Der angesprochene WM-Rivale McLaren-Mercedes zählt derzeit offenbar auf allen Strecken zum engsten Favoritenkreis. „Das Auto ist so gut, dass du sogar dann schnell bist, wenn es sich überhaupt nicht schnell anfühlt“, freut sich der WM-Zweite Kimi Räikkönen vor dem zweiten Heimspiel der Silberpfeile. „Selbst auf kalten Reifen liegt es traumhaft.“
Mit dem Rückenwind einer Tagesbestzeit durch Ralf Schumacher bei den Jerez-Tests reist Toyota F1 ins Badische. Für den Michelin-Partner aus Japan geht es in der zweiten Saisonhälfte nun vorrangig darum, die exzellenten Qualifying-Ergebnisse verstärkt in WM-Punkte umzusetzen.
BMW WilliamsF1 sieht nach den jüngsten Testfahrten in Jerez Fortschritte bei der Weiterentwicklung des FW27. Dazu kommt für den 2001 und 2003 siegreichen Rennstall der Heimbonus des Motorenpartners: „Im Grunde sind alle Rennen gleich wichtig, aber für BMW würde ich mich besonders freuen, wenn wir in Deutschland ein gutes Resultat erzielen könnten“, blickt Pilot Mark Webber voraus.
BAR-Honda hält an dem Saisonziel, 2005 den ersten Grand Prix-Sieg des Rennstalls einzufahren, weiter fest. „Das Potenzial des Wagens und die Motivation des Teams sind sehr hoch. Deswegen glaube ich, dass wir unser Ziel in der zweiten Hälfte der Saison erreichen können“, betont Takeo Kiuchi, Formel-1-Projektleiter und Chef der Renn-Abteilung bei Honda.
Rückblick: So lief der Große Preis von Deutschland 2004
Glühende Sommerhitze, packende Duelle und spektakuläre Zwischenfälle
kennzeichneten den Grand Prix von Deutschland im Vorjahr. Aus Sicht von Reifenhersteller
Michelin endete der zwölfte Saisonlauf zufriedenstellend: Kimi Räikkönen
konnte Tabellenführer Michael Schumacher gleich nach dem Start sichtlich
unter Druck setzen. Erst als ein defekter Heckflügel den Michelin-bereiften
McLaren-Mercedes des 24-Jährigen nach seinem ersten Boxenstopp aus dem
Rennen riss, konnte es sich der Ferrari-Pilot etwas gemütlicher an der
Spitze einrichten. Dafür lieferten sich nach dem Unfall-Aus von Räikkönen
die beiden Michelin-Partner Jenson Button (BAR) und Fernando Alonso (Renault)
dramatische Zweikämpfe um den zweiten Rang, der schließlich an den
Briten ging.
Kommentare
Ralf Schumacher (Toyota Panasonic Racing): „Stärkere Belastung für
den linken Vorderreifen“
„Hockenheim ist fahrerisch nicht besonders aufregend, aber es gibt ein
paar gute Stellen zum Überholen – besonders vor der Haarnadel. An
der Suche nach dem optimalen Kompromiss aus genügend Top-Speed für
die Geraden und ausreichend Grip für das Motodrom hat sich durch den Umbau
nichts geändert. Im Infield brauchen wir mechanischen Grip und eine möglichst
weiche Reifenmischung. Allerdings ist der Asphalt in einigen Kurvenpassagen
sehr rau, und die beiden Rechtskurven vor Start und Ziel sowie die schnelle
Rechts danach beanspruchen den linken Vorderreifen etwas stärker. Wenn
der linke Vorderpneu mitspielt, sollten wir dennoch eine vergleichsweise weiche
Mischung verwenden können.“
Statistisches
Großer Preis von Deutschland, Hockenheimring Baden-Württemberg, Hockenheim
(D), 12. von 19 Läufen zur FIA-Formel 1-Weltmeisterschaft 2005 (24. Juli
2005); Renndistanz: 67 Runden à 4,547 km = 306,548 km.
Alle Informationen zum GP von Deutschland: Übersicht - Strecke - Ergebnisse
Die Saison 2005 im Überblick
Großbritanien - Frankreich
- USA - Kanada
- Europa - Monaco
- Spanien - San Marino
- Bahrain - Malaysia
Übersicht aller Rennstrecken