Jutta Kleinschmidt fährt ihre 15. „Dakar“
- Geschrieben von Dirk Hartung
- Kategorie: Rallye Raid (Langstrecke)
• Konsequente Durchsetzungskraft in klassischen Männer-Domänen
• Eiserner Durchhaltewillen – auch beim Abschleppmanöver
Wenn am 31. Dezember in Lissabon die 28. Rallye Dakar startet, steht eine Frau ganz besonders im Mittelpunkt: Jutta Kleinschmidt. Die Volkswagen Werkspilotin schrieb bei der „Dakar“ immer wieder Geschichte: 2001 war sie die erste Frau, die den Wüsten-Klassiker gewann, bis heute ist sie die einzige geblieben. Die weiteren „Dakar“-Rekorde der in Monaco lebenden Deutschen: 1997 feierte sie als erste Frau einen Etappensieg, 1999 lag sie als erste Frau in Führung. Und 2005 gelang ihr im Volkswagen Race Touareg der erste Podiumsplatz eines Diesel-Fahrzeugs in der 27-jährigen Geschichte der Rallye. Auch für 2006 hat sich die Physikerin viel vorgenommen: „Dies ist meine 15. Dakar. Meine Beifahrerin Fabrizia Pons und ich wollen gewinnen. Und mit dem Race Touareg 2 haben wir das Auto dazu. Außerdem ist das Team von Volkswagen Motorsport perfekt vorbereitet.“
Volkswagen Motorsport-Direktor Kris Nissen glaubt an die Siegchancen von
Jutta Kleinschmidt. "Sie ist sehr stark, ehrgeizig und sie gibt alles
für den Sport." Zudem ist sie die "Frau der ersten Stunde"
im "Dakar"-Projekt von Volkswagen. "Jutta Kleinschmidt ist
seit Projektbeginn bei Volkswagen. Durch ihre Erfahrungen hat sie tatkräftig
zur Entwicklung der Mannschaft und des Race Touareg beigetragen", äußert
Kris Nissen. Auch ihre vier Teamkollegen Mark Miller, Bruno Saby, Carlos Sainz
und Giniel de Villiers wissen das Engagement und die Stärke von Jutta
Kleinschmidt zu schätzen.
Doch was macht Jutta Kleinschmidt in der Wüste so stark? "Sie ist
nicht nur sehr schnell, sie arbeitet außerdem viel und intensiv und
ist dabei extrem hart zu sich selbst", erklärt René Verbist,
der als Fahrzeugingenieur im Volkswagen Werksteam seit Jahren eng mit Jutta
Kleinschmidt zusammen arbeitet. "Juttas große Stärke ist ihr
umfangreiches technisches Wissen. Sie versteht das Fahrzeug. Bei den Tests
notiert sie jedes Detail, fragt ständig nach und analysiert anschließend
die Daten wie ein Ingenieur."
Konsequente Durchsetzungskraft in klassischen Männer-Domänen
Umfangreiches technisches Wissen hat die "Dakar"-Siegerin Kleinschmidt
nicht nur bei ihren bisher 14 Teilnahmen bei dem Wüsten-Klassiker gesammelt
– als Physikerin hat sie zugleich eine fundierte technische Ausbildung.
Seit der Schulzeit hat sich Jutta Kleinschmidt konsequent in klassischen Männer-Domänen
durchgesetzt: Vom Abschluss auf einer Knaben-Realschule in Freilassing im
Jahr 1980 über das Physik-Studium in Isny, einer Ingenieurs-Tätigkeit
bei einem Automobil-Hersteller bis zum Start ihrer Wüsten-Rallye-Karriere
auf dem Motorrad 1987 ist ihr Lebensweg von einem großen Durchsetzungsvermögen
gekennzeichnet.
Eine Urlaubsreise weckte die Rallye-Faszination in der Deutschen. "Ich
kam über mein Hobby Motorradfahren zum Motorsport, denn als ich 1987
als Urlauberin die Rallye Dakar begleitete habe. Danach wusste ich, dass ich
in Wertung fahren wollte", berichtet Jutta Kleinschmidt. Bereits im selben
Jahr fuhr sie ihre erste Wüsten-Rallye, 1988 startete sie erstmals auf
dem Motorrad bei der Rallye Dakar, drei weitere Teilnahmen folgten.
Zwischen 1993 und 1996 verlagerte die Deutsche ihre Karriere immer stärker
von zwei auf vier Räder, ehe sie ganz ins Auto-Cockpit wechselte. Doch
noch immer profitiert sie von den Erfahrungen aus der Enduro-Zeit: "Als
Motorradfahrer lernt man die Landschaften viel besser kennen als aus der Perspektive
hinter dem Lenkrad eines Autos. Denn man fährt sehr viel stehend, hat
dadurch einen guten Überblick und freie Sicht in alle Richtungen. Man
lernt, eine sehr saubere Linie zu fahren, das zahlt sich später im Auto
aus. Außerdem habe ich durch das Navigieren auf dem Motorrad einen guten
Orientierungssinn."
Eiserner Durchhaltewillen – auch beim Abschleppmanöver
Im Werksteam von Volkswagen ist Jutta Kleinschmidt für ihren eisernen
Durchhaltewillen bekannt. "Ich musste sie einmal 300 Kilometer aus einer
Prüfung ziehen", erinnert sich Race-Truck-Pilot Klaus Leihener.
"Für den Fahrer im abgeschleppten Fahrzeug ist das eine echte Tortour:
Man hängt über Stunden dicht hinter dem LKW, sieht nichts und atmet
den feinen Staub ein, der überall ins Auto dringt. Jeder andere hätte
sicher aufgegeben. Doch Jutta hat durchgehalten – und so waren wir rechtzeitig
im Ziel, so dass sie zur nächsten Etappe wieder starten konnte."
Auch die Italienerin Fabrizia Pons, seit 2002 Copilotin von Jutta Kleinschmidt
im Werksteam von Volkswagen, bewundert die Stärke ihrer Fahrerin: "Sie
ist ein echter Athlet. Es ist für mich unglaublich, dass Jutta beim Race
Across America mit dem Fahrrad quer durch den Kontinent gefahren ist. Um so
eine Leistung zu vollbringen, braucht man nicht nur einen durchtrainierten
Körper, sondern muss auch mental stark sein."
Extrem lange Radtouren – wie eine 1500 Kilometer lange Alpenüberquerung
– und andere sportliche Aktivitäten stehen privat im Lebensmittelpunkt
der Volkswagen Werkspilotin. Seitdem die Deutsche ihren Helikopter-Flugschein
gemacht hat, zählt auch der Luftraum zu ihren bevorzugten Gefilden. Doch
dafür blieb während der "Dakar"-Vorbereitung kaum Zeit.
In den vergangenen drei Monaten hat Kleinschmidt ihr Sportprogramm intensiviert.
"Zum Radfahren als Ausdauersport kommt für mich regelmäßiges
Krafttraining. Außerdem gehe ich Kartfahren, das ist gut für die
Rückenmuskeln und die Konzentration", erklärt sie. "Mit
meinem Trainer Jean-Jacques Rivet schule ich meine Koordination und Gleichgewichtsgefühl
an speziell entwickelten Geräten.
Obwohl Jutta Kleinschmidt am 31. Dezember im Lissabon bereits zum 15. Mal
bei der Rallye Dakar startet, ist der Marathon-Klassiker keinesfalls Routine.
Die Begeisterung der Deutschen ist ungebrochen. "Der Marathon-Sport ist
für mich eine tolle Mischung aus Abenteuer, Technik und Rennen fahren",
beschreibt sie die Faszination "Dakar". "Es ist für mich
die Herausforderung des Jahres, für die ich elf Monate lang gearbeitet
habe."